Winifred Wagner: oder Hitlers Bayreuth

Freundschaft bis ans Ende
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5

Hitlers Bayreuth

Der „Wagnerort“ Bayreuth ist mit zwei Namen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts untrennbar verbunden. Personen, die den „Nimbus“ und die zentrale Gewichtung Bayreuths auch als „Machtzentrum“ (nicht nur im künstlerischem Sinne) intensiv vorangetrieben haben.

Winifred Wagner, Ehefrau Siegfried Wagners und Adolf Hitler, Freund und Gönner der Familie, Wagners Musik und, durch Bayreuth, auch in dem Versuch befangen, durch Bayreuth kulturell zu glänzen und dies politisch auszunutzen.

Aus dem „Zentrum der deutschen Kunst“ ein Zentrum nationalsozialistischen Seins und glänzender Macht- und Prachtentfaltung zu gestalten. Ein Weg, auf dem sich Winifred Wagner aufs Engste an Hitler anschloss, die eigenen Vorteile zu nutzen verstand und bis zu ihrem Tode nicht von dieser engen „Freundschaft“ abzurücken gedachte.

Eine ganz besondere Familiengeschichte, eine Geschichte auch von Nibelungentreue und, letztlich, unbelehrter und unkritischer nationalsozialistischer Haltung, die den Geist Bayreuths unterschwellig bis zum Tode Winifred Wagners 1980 begleitet und nicht nur „extern“, sondern auch in der Familie selbst für intensive Reibung sorgte.

Brigitte Hamann ist dieser „ganz besondern Beziehung“ akribisch nachgegangen und hat aus einer immensen Fülle von Quellenmaterial heraus eine Biographie vorgelegt, die zugleich auch ein opulentes Dokument der sozialen Strömungen der damaligen Zeit darstellt.

Von der Geburt Winifreds an bis zu deren Tod (und der in den letzten Lebensjahren kulminierenden Familienstreitigkeiten) zeichnet Hamann an der Person Winifreds intensiv auch die Zeitgeschichte nach. Die politische Zerrissenheit, die in Auflösung mündete, der Aufstieg der Nationalsozialisten, die wirtschaftlichen Bedrängungen der Zeit, die Seilschaften und Absprachen auf Seiten der Reichen und Mächtigen, all dies fließt zusammen in ein geschärftes Bild von Abhängigkeiten, Eigennutz, aber auch Fanatismus.

Ein durchaus gebrochenes Bild, im Übrigen. Denn genauso, wie Winifred Wagner mit aller Energie ihre Freundschaft zu Hitler vertiefte und darin fast „störrisch“ zu nennen ist, hat sie auf der andern Seite durchaus klug und weitsichtig die Belange der „Villa Wahnfried“ vertreten, Bayreuth als Zentrum der Kunst ausgebaut und im Bewusstsein der Kultur bis heute nachhaltig verankert und die Festspiele durch alle Wogen der Zeit mit durchaus sicherer Hand und hohem Einsatz geleitet. In den entscheidenden Jahren des dritten Reiches als Alleinverantwortliche Leiterin der Festspiele.

Ohne mit der Wimper zu Zucken natürlich alles lupenrein nach außen. „In Vorbereitung auf den Besuch Hitlers wurden wieder Verdächtige in Schutzhaft genommen“.
Nichts sollte das freundschaftliche Verhältnis trüben, nichts das Gespinst von Macht und Kultur stören. Bis dahin, dass das bisherige „Siegfriedhaus“ 1936 in „Führerbau“ umbenannt wurde und Hitler bei seinen Aufenthalten in Bayreuth als Gästehaus diente.

Materialreich, flüssig im Stil und den Personen und Verhältnissen auch in der Tiefe nachspürend, ist Brigitte Hamann ein beeindruckender Einblick in das „Zentrum der deutschen Kultur“ mitsamt der dies tragenden Familie gelungen. Letzte Fragen werden sicherlich nicht beantwortet werden, bis heute verweigert die Familie Wagner die Einsicht in die privaten Archive und in die persönlichen Briefwechsel mit Hitler.

Eine sehr zu empfehlende Biographie über ein bisher nicht breit behandeltes Kapitel der „Verzahnung“ von Politik und Kultur, von Macht und Musik, in dem die zeitgeschichtliche Entwicklung eine ebenso große Rolle spielt wie die Personen.

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