Straight White Male

Der schöne Schein und das bittere Sein
  • Gesamtwertung
5

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Kennedy Marr ist auf der „Sonnenseite“. Erst mal, scheint es, im Buch.

Nicht nur, weil er im an sich schon sonnigen Los Angeles lebt, nicht nur, weil er den düsteren Sozialvierteln seiner irischen Heimat erfolgreich entronnen ist. Auch einer, der nicht nur vom „alten Ruhm“ als „ernsthafter Schriftsteller“ zehrt, sondern weil er ebenfalls als „Auffrischer“ von Drehbüchern wie nebenbei sein Geld verdient.

„Unter ihm räkelte sich die Stadt und streckte ihm ihren gespreizten Hintern entgegen“. Sein innere Bild für seinen weitgehend alkoholumnebelten Tagesablauf.

Aber ebenso bringt er das Geld wie nebenbei wieder unter die Leute. Essen gehen für tausende von Dollars, Cocktails bis zum abwinken, Verfechter nur bester Anzüge, teurer Schuhe. Unter Druck, weil ihn seine zweite Frau ausblutet (er musste aber ja unbedingt auf seiner eigenen Hochzeit die beste Freundin seiner Frau sich vornehmen).

So laviert er sich durch, der Herr Autor. Durch die Betten, durch die Frauen, durch den Glimmer des Filmgeschäftes (das Niven sarkastisch, massiv und mit einer intensiven bitteren Komik versehen dem Leser vor Augen führt).

Unverhofft winkt Rettung in finanzieller Not. Ein üppig dotierter Preis in Irland wartet (unter der Auflage, dafür ein Studienjahr als Dozent zu unterrichten) und eine ebenso üppige Begleitung eines Drehbuchs mit einem der aktuellen weiblichen Stars und einem der kommenden männlichen Schauspieler Hollywoods unter Ägide des erfolgreichsten Produzenten der Gegenwart. Eine Melange der Eitelkeiten, der Allüren, der Selbstüberschätzung.

Und das einem wie Kennedy. „Alles, wonach Kennedy verlangte war, jederzeit tun und lassen zu können, was er wollte. Und das in einer restlos konsequenzfreien Umgebung?“.

Er nimmt den Preis an, wird schon auf dem Flug nach England auffällig und kurz verhaftet und taumelt eher durch die Kulissen des ehrwürdigen College (an dem seine ehemalige erste Frau ebenfalls als Dozentin arbeitet), denn das er mit der Situation und den Studenten seiner Seminare etwas anzufangen wüsste. Gerät umgehend in Reibung mit dem „intellektuellen“ Betrieb (den Niven ebenfalls präzise und mit treffendem Sarkasmus als Scheinwelt offenbart).

Das alles ist voller zynischem Humor und einer Vielzahl treffend sarkastisch geschilderter Szenen. Eine Ebene, die an sich bereits durchaus unterhaltsam zu lesen ist (mitsamt der sehr expliziten sexuellen Darstellungen als einzigem „Rettungsanker“ für Marr).

Daneben aber gewinnt der Roman an Tiefe da, wo hinter all den Kulissen die echten, verletzten, verzweifelten Menschen durchscheinen. Verzweifelt wie Kennedy über ihre wahre Suche im Leben und das eigene „Nicht Ausreichen“. Für gute Romane die einen, für ein legeres Leben die anderen, für die echte Liebe alle.

„Sie alle hatten sich an der Liebe vergangen, diese Männer“. Und er vor allem.

Die Last der Sehnsucht und des Versagens daran, die in Irland angesichts seiner ehemaligen Frau und seiner Tochter noch einmal die schwärende Wunde tief Innen aufreißen wird.

Ein plakatives Buch mit Tiefgang, eine Darlegung verlorener Sehnsüchte und des Ertränkens derer in oberflächlichem Sex, in Chateaubriand und Pinot, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite zwischen Lachen, Weinen und Empörung in den Bann zieht.

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