Verständlich und Praxisnah
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Insgesamt
Das Menschen verschiedene „Ich-Zustände“ in sich tragen, ist sicherlich ohne größere Beweisführung offensichtlich. Je nach Situation und innerer Befindlichkeit reagieren Menschen verschieden, schieben sich verschiedene „Ich-Anteile“ in den Vordergrund.
Dieses „Prinzip der Multiplizität der Persönlichkeit“ liegt der Ego-State-Therapie zu Grunde. Eine Zahl an „Ich-Anteilen“, die, folgt man den sehr verständlichen und praxisnah formulierten Darstellungen Fritzsches (und dem Modell der Therapie damit), erkennbar und beschreibbar sind und sich aufteilen in konstruktive Ich-Anteile, aber auch in destruktive, hinderliche Anteile der Persönlichkeit. Anteile, die oftmals nicht bewusst vorhanden sind sondern einfach „stattfinden“. Bis hin zu „Ich-Anteilen“ (Ego-States), die wie „völlig fremd“ in einer Person zum tragen kommen, quasi „Abgespalten“ vom Rest der Person vorliegen. Ein „inneres Team“, dass in seinem inneren Wechselspiel die Gesamtpersönlichkeit ausmacht, das im besten Falle sich ergänzt und kooperiert, das im schlechten Falle gegeneinander steht und den Menschen vor innere Zerreißproben stellt.
Vor allem in der Trauma Therapie entwickelt, stellt sich bei erkennbaren Traumas diese Destruktivität leicht nachvollziehbar dar. Wie eine Abspaltung stehen gerade bei Traumas innere Versuche der „Verarbeitung eines „nicht zu aus sich selbst heraus zu verarbeitenden Erlebnisses“ als Zustände dann im Raum, die zu ungesunden und, vor allem, vom Klienten nicht steuerbaren Automatismen führen.
Ziel der Therapie ist (und das nicht nur bei schweren traumatischen Störungen) die (Wieder-) Herstellung von der „Befähigung von Menschen, mithilfe ihrer Ego-States (des gesamten „inneren Teams“) eine höhere innere Konsistenz im Austausch mit der Umwelt herzustellen und damit Wachstumsprozesse, Entwicklungspotentiale, Beziehungsfähigkeit und Selbstbestimmtheit zu fördern“.
Sowohl nun das zu Grunde liegende Modell der Ego-State-Therapie mit seinen Grundprinzipien (Multiplizität, Funktionalität, Individualität der Ego-States, das Prinzip der „Bühnen“ und das Prinzip Koexistenz, Verständigung, Kooperation und Integration (mithin schwingen in diesem letzten Prinzip auch die Ziele der Therapie mit), wie (und das vor allem) auch eine sorgfältige und schrittweise Beschreibung der Praxis der therapeutischen Arbeit in und mit diesem Modell erläutert Kai Fritzsche in sehr klarer, treffender und sehr verständlicher Weise.
Vor allem seine mit einfließenden Erfahrungen aus der Praxis, die sich treffenden Fallbeispielen wiederfinden, illustrieren die Grundannahmen und deren methodische Umsetzung sehr gut. Ebenso gelingt es Fritzsch, therapeutischen Druck und Überforderungen auf Seiten von Klienten, aber auch von Therapeuten, zu relativieren. Das es „nicht der Mount Everest“ sein muss, nicht der „höchste Gipfel“ allein erreicht werden muss, um einen erfolgreichen Weg der Therapie und der Selbsterkenntnis zu gehen, damit beginnt seine Darstellung.
Nicht das „Ideal“ der Balance der Ego-States in „idealer“ Therapie wird hier vorausgesetzt, sondern die Bereitschaft, sich auf der „Expedition“ des Lebens, des therapeutischen Weges, sich seiner selbst gewahr zu werden.
„Es geht mir nicht um das Erreichen des Gipfels. E geht mir jedoch um die von vielen Bergsteigern beobachtete Erfahrung, auf einer solchen Expedition sich selbst zu begegnen“. So wagen sich eben auch Klienten im Rahmen der Therapie in Grenzbereiche ihrer Persönlichkeit vor und so wagt der Therapeut die Begleitung einer solchen „Expedition ins Ich“.
Das „Handwerkszeug“, die „Ausrüstung“ für eine solche Expedition stellt Fritzsche sachgerecht und nachvollziehbar im Buch vor. Von der Vorbereitung über die Erstellung eines Behandlungsplanes, von der Arbeit mit „ressourcenreichen Ego-States“ bis hin zur Arbeit mit destruktiven Ego-States wird der Leser sowohl für Kleines als auch im Großen fündig.
Nach verschiedenen Übersetzungen grundlegender Werke zur Therapieform legt Kai Fritzsche nun die erste breite Darstellung von Methode und Umsetzung deutschsprachig äußerst gelungen vor.