Dieser Mensch war ich

Was bleibt vom Leben?
  • Gesamtbewertung
5

Dieser Mensch war ich

Der „einfache Mensch von Nebenan“. Menschen, die „ganz normal“ ihr alltägliches Leben gelebt haben. Gearbeitet, Familien gegründet (oder auch nicht), hier und da geurlaubt, vielleicht Eigentum geschaffen (vielleicht auch nicht), Freundschaften gelebt, Arbeit erledigt, das eigene Leben angegangen mit allen Lücken, die zu ertragen waren.

Ganz normale Menschen am Ende ihres Lebens, wissend, dass nicht mehr viel an Zeitspanne verbleibt, fassen ihren Rückblick als Quintessenz zusammen. Kurz jeweils, kaum mehr als 2-3 Seiten im Buch nimmt so ein „normaler Nachruf auf das eigene Leben“ an Raum ein. Und dennoch spiegeln sich in den vielfachen Resümees, den „Leitsätzen“, die formuliert werden, soviel vom Leben wieder, von dem Wissen über den eigenen Weg, dass der Leser ein und das andere Mal innehält und berührt wird. Sich wiedererkennt im ganz normalen Ablauf der Dinge.

Nachrufe und Gedanken, die unmittelbar zur Reflektion einladen. Einfache Sätze, welche die eigene Endlichkeit fühlbar in den Raum bringen und Respekt hervorbringen. Vor den Menschen hinter den kurzen Nachrufen, vor dem Leben an sich.

„Ich will nichts hinterlassen, weder Geld noch eine Botschaft. Außer dieser einen: Macht Euch die letzten Tage schön“. Denn, „wissen Sie, man muss dem Ende Leichtigkeit geben“. So sagt es ein 76jähriger, dem der Knochenkrebs nur mehr wenig Zeit noch gelassen hat.

Oder eine Frau, die durchaus kritisch sieht, dass vieles anders gekommen war, als sie es erhofft und erdacht hatte, dennoch aber zum Ende hin sagen kann: „das war mein Leben und schlecht war’s nicht“. Auch wenn sie ehrlich darüber sinniert, dass sie ihrem Ehemann gegenüber durchaus reale Mordlust entwickelt hatte zu Zeiten.

Oder die 62jährige im Hospiz, die den Tod nicht begrüßt, zumindest aber aufzeigt, wie sehr eine gewisse Ordnung der Dinge in und durch die eigene Hand innerlich schwer Belastendes doch hinweg nehmen kann.

Und das man nicht hilflos sein Leben durchgehen muss, egal, wie einfach und eben „normal“ dieses Leben ist. „Man muss ja auch mal kämpfen für dies oder jenes“. Und dann seinen Frieden machen mit dem nahenden Tod, auch wenn nun nicht mehr für die Enkelinnen gekocht werden kann in diesen letzten Tagen des Lebens.

Es sind keine pathetischen Worte, keine ausgefeilten und tiefschürfenden Erkenntnisse, keine abstrakten Denkgebäude, die Christiane zu Salm bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Hospiz gesammelt hat. Und gerade deswegen rückt dieses Buch dem Leser so nahe.

Von Beginn an baut sich keine intellektuelle, damit auch schützende, Distanz auf, sondern ganz unvermittelt treffen die kurzen „Lebenszusammenfassungen“, schwingt die Unabänderlichkeit und, ja, auch Einfachheit des Sterbens und des Todes mit.

„Habe das Leben immer genommen, wie es kam und ziehe das jetzt durch (die sechste Chemotherapie)“. 14 Jahre als Verkäuferin bei Penny mit nur noch einer offenen Frage, was einen konkreten Kunden da angeht. Die nicht beantwortet werden wird. Was aber keine allzu große Belastung darstellt.

Am Ende der Tage kann es auch Innen ruhig und friedlich werden, auch das ist eine Botschaft des Buches.

Und je mehr man liest, desto mehr versteht man das persönliche Anliegen der Autorin. Die Suche nach dem, worauf es wirklich ankommt, was wirklich wichtig ist. Eine Suche, die vielfache Antwortmöglichkeiten im Buch findet. Antworten, die das Eigene des Lesers an Wichtigkeit nicht vorwegnehmen oder letztgültig beantworten, aber Resümees, die das eigene Fragen, das eigene Reden über den Tod und den Blick auf das eigene Leben in tiefer Weise anrühren.

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