Die Verfolgung

Absturz
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4

Die Verfolgung

Es gibt eine kleine Sequenz zu Beginn dieser Geschichte, in der Leo Pontecorvo, der zu Beginn gesellschaftlich in Rom hoch angesehene Protagonist des Romans, vielleicht doch einen kleinen Anhaltspunkt für das gibt, was da an Geschehen und Ereignissen über ihn hereinbrechen wird.

Hatte er nicht nur den Cyrano de Bergerac gegeben? Fragt sich Leo in dieser kurzen, wie gehauchten Sequenz. Bei diesem 12jährigen Mädchen, dass sein Sohn vor einiger Zeit als Bekannte mit gebracht hatte, in die Villa.

Der allseits geachtete und vermögende Kinderonkologe erscheint plötzlich, eher nebenbei, in den Nachrichten. Verdacht der Unzucht mit einer Minderjährigen. Mit eben diesem Mädchen. Und erschwerend tritt hinzu, dass da vor nicht allzu langer Zeit schon einmal eine kleine „Randberührung“ mit dem Gesetz (Schmiergelder sollen geflossen sein) im Raume stand.

Das kann doch alles nur ein Irrtum sein, denkt sich der Leser. Vielleicht auch noch die Familie in den ersten Momenten. Leo denkt das nicht. Aber Substanz haben die Vorwürfe im eigentlichen Sinne auch nicht, so wirkt Leo zumindest nicht. Eher so wie einer, der das Leben meint, zu kennen und davon ausgeht, dass er gegen die Nachstellungen, nicht ankommen wird. Eine Fantasie, die für ihn umgehend Realität ist, die er gar nicht überprüft, sondern die er über sich bestimmen lässt.

Aber kommt das nicht so, wie es dann kommt, auch und gerade, weil er sich nicht rührt? Nicht in die Offensive geht? Sich nicht gegen dieses Gör verwehrt? Warum zieht er sich wie schmollend (oder tödlich verwundet) in eine seine „Höhle“, das Souterrain des Hauses zurück? Und was ist das für eine Familie, was sind das für enge Freunde, Rita und Flavio, die umgehend das alles so glauben, erst einmal? Was aber auch für ein „großes Kind“, dieser Leo, der als gestandener, erwachsener und erfolgreicher Arzt innerlich immer noch reagiert wie eben ein trotziges, kleines Kind.

„Die Welt ist schuld“. Einer, der nie gegen seine Mutter ankam und in Rachel eine Fortsetzung dieser Beziehung geheiratet hat. Einer, der sich selbst in diesem Konflikt keine Chance gibt und beschließt, einfach zu schweigen, über sich ergehen zu lassen.

Handlungsweisen aller Personen im Buch, die für den Leser zunächst kaum nachvollziehbar sind. Die Piperno allerdings mit einem bilderreichen und breiten Sprachstil einbettet in ein ganzes Leben, eine ganze Lebenshaltung, die nicht gesichert werden kann.

„Es gibt keinen Ort auf der Welt, der irgendeinen Schutz garantieren kann. Weder Dir noch irgendjemandem sonst“. Das ist, was Piperno in diesem Roman dem Leser in ganz eigener Form vor Augen führt. Das man sich nicht sichern kann.

„Und eben, weil die Leute am liebsten das Schlimmste glauben, wird alles Schlechte, was man über einen Menschen sagt …….. sofort für bare Münze genommen“. Und selbst das gilt, zumindest in den Augen Leos:

„Alles, was Du bisher an Gutem getan hast, ist von jetzt an als Absonderlichkeit eines Perversen anzusehen“.

Aber dass dem nun so ist, dass alles auseinander bricht, dass weder er noch die Familie sich gegen den Gang der Dinge stellen, das wird nicht erst ausgelöst durch die Beschuldigung, da liegen die Wurzeln weitaus tiefer. Eine Intensität der Personen und Beziehungen baut sich im Buch so mehr und mehr auf, anhand derer der Leser hautnah miterlebt, wie isoliert der Mensch oft trotz scheinbarer Gemeinschaft in sich ist, wie alles, was passiert, Spuren hinterlässt und Folgen hat. Später. Und wie es vielleicht doch stimmt, dass Leos Haltung der Ignoranz und des sich „nicht Wehrens“ die klügere fast ist.

Sprachlosigkeiten, enttäuschte Erwartungen, feste Lebenshaltungen, die nur „im Guten“ einigermaßen tragen und unter Belastung in die Ohmacht führen. Die „Oberfläche“ sind und nicht gefülltes Leben in sich tragen.

Ein psychologisch hervorragend beobachtetes und, trotz der Surrealität des „Untergangs“, in sich geschlossenes und folgerichtiges Geschehen, das nicht zuletzt auch sprachlich einen Genuss darstellt.

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