Akribische Darstellung der Recherche
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Insgesamt
Was eine Black-Box in einem Flugzeug ist, dürfte mittlerweile allgemein bekannt sein. Bei einem Mordfall nutzt Connelly den Begriff durch seinen Protagonisten Harry Bosch im Buch als „das Detail“. Irgendetwas, entscheidendes, das am Tatort genau den Hinweis in sich trägt, mit dem sich der Fall aufrollen lässt.
„Folge der Pistole“.
Das ist die Black-Box des Harry Bosch in Bezug auf den 20 Jahre zurückliegenden Mord an einer dänischen Journalistin in Los Angeles. Zur Zeit massiver Rassenunruhen und Gang-Kriege 1992 liegt die Leiche der Frau in einer kleinen Gasse. Hingerichtet.
Schnell wird sie unter den „Kollateralopfern“ dieser Tage eingeordnet, aber als „offener Fall“ weiter geführt. 20 Jahre später ist es in Polizeikreisen opportun, diese „offenen Fälle“ noch einmal anzugehen. Und Harry Bosch wäre nicht Harry Bosch, wenn er bestimme ungelöste Fälle nicht persönlich nehmen würde. Fälle, die ihm keine Ruhe lassen.
Auch wenn der neue Chef ein „Tool-Mann“, ein Technokrat und Verwaltungsfetischist ist, der die Zeit seiner Mitarbeiter keinesfalls zu verschwenden gedenkt. Auch wenn Bosch mehr und mehr auf eigene Faust zu ermitteln hat. Wo er sich festgebissen hat, lässt er nicht mehr los. Und so folgt er der zunächst einzig verbindenden Spur des Falles, der Mordwaffe.
Die er nicht hat, deren Weg durch die Jahre er nun langsam, aber sicher, erfolgreich verfolgt.
Und schnell merkt: jene Anneke Jespersen war keine „Touristin“, deren journalistischer Spürsinn vor Ort in den USA erst erwachte. Jene Jespersen kam bereits mit einem Ziel, einer Recherche in den USA damals an. Eine Recherche, die von Kuwait über Stuttgart nach Los Angeles führte.
Je näher Bosch die Motive der Frau einkreist, je mehr ihm gerade Dinge auffallen, die am Tatort fehlten (beim Hotelzimmerschlüssel der Journalistin mal angefangen), desto deutlicher wird ihm, dass hier ganz andere Hintergründe als regionale Bandenkriege zu finden sein werden.
Und desto gefährlicher werden die Ermittlungen für ihn selbst.
Was Tom Clancy für die akribische und teils sehr kleinteilige Beschreibung von Militärtechnik ist, ist Michael Connelly (und das ganz besonders) für die kenntnisreiche, sehr realitätsgetreue und breite Darlegung polizeilicher Ermittlungsarbeit.
Schon nach dem ersten Drittel des Buches ist der Leser intensiv vertraut mit den internen Abkürzungen für alles Mögliche beim LAPD, folgt Bosch kleinteilig von Indiz zu Indiz und wird so, bei aller Sorgfalt der Darstellung, auch auf eine ziemliche Geduldsprobe gestellt, bevor so etwas wie Spannung und Bewegung in den Ablauf der Ereignisse trifft.
Dialoge, Telefonate, Aktenlage, Überlegungen, Computerrecherche, hier und da ein Ansatz eines Verhörs, das zieht sich, bis der Fall beginnt, „so richtig“ an Fahrt aufzunehmen.
Dann aber gestaltet Connelly in bewährter Form mit seinem altgedienten Protagonisten eine anregende Jagd, gefährliche Momente, aktuelle Tote und zieht den Leser bis zum „Showdown“ souverän in seinen Bann.
Trotz der sehr breiten und langatmigen Erzählweise zu Beginn des Buches ergibt sich so im Gesamten die von Connelly gewohnt anregende und spannende Unterhaltung, in welcher der Leser sehr detailgenau und realistisch die Ermittlungsarbeit nachvollziehen kann.