Über die existenzielle Schönheit der klassischen Musik
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Man muss nur einmal ein einfaches, klassisches Konzert in einer Philharmonie besuchen, um am Altersdurchschnitt der Besucher umgehend zu erkennen, dass die Liebhaber (und damit die zahlenden Zuschauer) für diese Form der Musik zunehmend ins hohe bis höchste Alter inzwischen gelangen.
Und mit den Kennern und Genießern dieser Musik verliert die klassische Musik an sich an Bedeutung. Subventionsab
bau, Zusammenlegung, Streichung, Verdichtung von Angeboten, immer deutlicher stellt sich die Situation (weltweit und gerade auf dem bedeutsamen Markt Deutschland) dar.
Auf der anderen Seite, wenig andere Musik hatte und hat so viel Einfluss auf die gesamte Kultur je der Gesellschaft, so viel „Nachwirkung“, wie es die klassische Musik hat und hatte. Musik, die es vermag, existenziell den Menschen innerlich zu treffen.
„Das größte Geschenk, das Gott den Menschen machen konnte, war die Gabe zu sprechen und zu kommunizieren, Und ein großer Teil von Kommunikation ist Musik“ (Leonard Bernstein). Und zwar als eine universelle, mit einiger Übung verständliche und innerlich betreffende Art der Kommunikation.
„Klassische Musik ist ein Abenteuer, eines, das wir erleben, wenn wir uns auf sie einlassen. Sie nimmt uns mit in eine andere Welt…..sie entfaltet dort Macht… (die) uns ungemein viel geben (kann)“. (Kent Nagano).
Leidenschaftlich, profund, glühend für sein Metier nimmt Nagano den Leser mit in diese Welt, in dieses Abenteuer der klassischen Musik. Und erläutert, erklärt, erzählt von dieser Macht der Musik Seite um Seite. Verständlich, klar und zugleich emotional.
Und eröffnet damit einen weiten, sehr weiten Blick über fast 1000 Jahre Musikgeschichte, vor allem aber darüber, wie sehr in der klassischen Musik fast die gesamte abendländische Tradition sich abbildet, wie eng verwoben im gegenseitigen Einfluss klassische Musik und Kulturgeschichte im Ablauf der Jahrhunderte sind.
Dabei erzählt Nagano von seinem Leben, seinen Berührungen mit dieser Kunstform schon in jungen Jahren, aber auch vom „Golden Age“ der Klassik, von „Lauter Toden auf Raten“.
Beschreibt den Rückgang der Bedeutung einerseits mit harten Zahlen, andererseits mit dem Verweis, wie der gesamte kulturelle Konsens gesellschaftlich erodiert, wie Parkhäuser im öffentlichen und politischen Denken einen höheren Stellenwert einnehmen als der Betrieb eines Opernhauses, in einer „Welt im Wandel – Werte im Wandel“ Zeit.
Und dennoch bleibt und gilt: „Musik kann mehr als Worte“. Auch wenn Nagano in diesem Buch das Wort wählt. Seine Blicke auf Bach, Schönberg, Beethoven, den Messias, Bruckner, Bernstein und Ives sind immer auch Portraits einer Zeit, einer kulturellen Strömung, an denen der Leser die inneren Zusammenhänge erkennen, lesen kann und, vielleicht, im Nachgang der Lektüre mit entsprechenden Werken sich auch dann, durch das Buch bestens erläutert, neu „erhören“ könnte.
Nicht nur mit Leidenschaft, auch mit Sachverstand, Erkennbarkeit der eigenen Person und mit vielen Informationen rund um die Klassische Musik, deren aktuellem Stand und deren zeitloser Bedeutung verfasst, bildet dieses Buch eine sehr empfehlenswerte Lektüre.
Nicht nur für den Liebhaber klassischer Musik, sondern für jeden kulturell und am Geschehen der Zeit(en) interessierten Leser.