Dolfi und Marilyn

Sprachlich ein Genuss
  • Gesamtwertung

Kurzfassung

Alles in allem ein zwar schön geschriebenes, aber nicht lange nachhallendes Werk.

4

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Flüssig, mit hintergründiger Melancholie versehen, ein in zwischenmenschlichen Dingen eher unbeholfener Hauptcharakter, der zudem nicht sonderlich konsequent umsetzt, was sein Verstand eigentlich als richtig und falsch erkennt („Kann ich den Führer die Hecke schneiden lassen?“) und der hineinrutscht in eine Entwicklung, die ihm mehr und mehr aus der Hand gleitet (was allerdings auch kaum zu vermeiden gewesen wäre, wenn selbst höchste Regierungsstellen um den eigenen Stand zu fürchten haben).

In einer Welt der Zukunft werden Klone hergestellt. Stark reglementiert, nicht von lebenden Personen und zumindest 70 Jahre muss die betreffende Person bereits tot sein (damit nicht verzweifelte Eltern verstorbene Kinder en Masse wieder ins Kinderzimmer holen). Und nicht jeder sollte geklont werden, wie sich langsam als Gesetz herausstellen wird.

Tycho Mercier findet, als er von seiner Tätigkeit als Professor das eigene Heim wieder betritt, einen solchen Klon vor. Sein zehnjähriger Sohn hat beim Paketboten unterschrieben. Seine geschiedene Frau hat bei einer Supermarkttombola den „großen Preis“ gewonnen. Er kann wirklich nichts dafür (was keinen wirklich interessiert).

Ein Klon von Adolf Hitler. Und das ihm, dem Geschichtsprofessor. Und das, wo genau diese Hitler Klone unter Verbot gestellt wurden. Und er selbst, wenn auch offenkundig unschuldig nur beteiligt, mit spürbaren Strafen nun zu rechnen hat.

Während „Dolfi“ den ersten Kakao seines (jungen) Lebens genießt und mit Tychos Sohn am PC „Blitzkrieg“ spielt (und mit der Zeit darin immer besser werden wird).

Und das nicht genug. Sein Nachbar, alt und gebrechlich, hat sein Alter mit einem (illegalen) Klon von Marilyn Monroe versüßt. Und stirbt. Während Marilyn Unterschlupf bei Tycho gefunden hat. Und Tycho, leider (das Fleisch ist schwach) einiges an diesem Klon überaus zu schätzen lernt.

Doch die Staatsmacht lässt keine Ruhe. Beide Klone fliehen bei Nacht und Nebel. Jahre vergehen, bis Tycho eher zufällig wieder auf Marilyn trifft. Deren Beziehung zu Dolfie nicht ohne Folgen blieb, Während überzeugte „Gestrige“ im Schwarzwald etwas ganz anderes mit diesem Dolfie inszenieren wollen.

In feiner, ausgeprägter, flüssiger und bildkräftiger Sprache erzählt Saintonge diese Geschichte von „Marionetten“ und vermag es ebenso, die feinen Nuancen in den Personen zum Vorschein zu bringen, die emotionale Atmosphäre, auch die Wirkung eines Adolf Hitler selbst auf nüchtern-sachliche Persönlichkeiten überzeugend zu schildern.

Andererseits verbleibt die Welt im Jahre 2060 im Roman ziemlich blass. Wie es denn aussieht im Jahre 2060, wie die politische Landkarte sich darstellt, wie das soziale Miteinander sich gestaltet, all das wäre schön gewesen, zu erfahren um auch in die Welt der Zukunft atmosphärisch mit eindringen zu können.

Unterschiede zu einem leicht muffigen und kleinbürgerlichen Vorortsleben auch unserer Tage finden sich aber leider nicht ausreichend im Buch dargelegt. Wie auch die Geschichte als solche fast allein von der Innenschau der Personen her lebt und keine wirkliche Spannung aufkommen lässt, bis hin zum überraschenden und wenig realistischen Ende hin.

So verbleibt eine schön erzählte Geschichte über die dauerhafte, zerstörerische Kraft fanatischer Ideen, über Klone, die wie kleine Kinder das Leben erst entdecken müssen und über die Schwierigkeit, sich in den „mittleren Jahren“ soweit „in der Welt“ zu behaupten, dass es keiner „kleinen Fluchten“ bedürfen würde.

Ebenso lässt Saintonge anklingen, dass in seinen Augen und seiner Interpretation der Geschichte es vielleicht ganz andere Kräfte waren, die einen Mann zu ihren Zwecken geformt hatten und nicht nur die wirren Ideen des Mannes eigenständig eine zerstörerische Kraft entfaltet habe.

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