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Insgesamt
Kurzfassung
Fazit:
Humorvolles und hervorragend pointiertes Märchen von einem der größten deutschen Dichter in einer sorgfältig gestalteten Sammlerausgabe.
Der Student Anselmus ist ein echter Pechvogel, der kein Fettnäpfchen auslässt. Gerade will er zu Himmelfahrt feiern gehen, als er schon in einen Korb voller Äpfel stolpert, dessen Besitzerin ihn mit lästerlichen Flüchen überhäuft. Verwirrt und beschämt setzt er sich unter einen Holunderbaum, um sich seine Pfeife zu stopfen, als goldene Schlangen zu ihm sprechen. Endgültig der Meinung er werde wahnsinnig, laden ihn seine Freunde, der Conrektor Paulmann und der Registrator Heerbrand, zu einer Fahrt über die Elbe ein, um ihn von seinen trüben Gedanken abzulenken. Dabei unterbreitet ihm Heerbrand einen wunderbaren Vorschlag. Für einen guten Lohn soll er die wertvollen Manuskripte des Archivarius Lindhorst kopieren. Doch der ist nicht nur extrem wunderlich, sondern auch launisch. Mehr noch, so glaubt der Student Anselmus nämlich, dass eine der goldenen Schlangen die Tochter Serpentina des Archivarius sei und verliebt sich unsterblich in sie. Doch das alte Äpfelweib setzt alles daran ihn von seinem Glücke fernzuhalten. Aber da gibt es immer noch die liebliche Veronika, die Tochter des Conrektors Paulmann, die ihrerseits Anselmus liebt und sich bemüht, ihn aus seinem magischen Wahn zu befreien.
Die meisten Leser kennen E.T.A. Hoffmann als Verfasser düsterer Schauergeschichten, die ihn zum Wegbereiter der deutschsprachigen Gothic Novelle gemacht haben, lange bevor Edgar Allan Poe zum ersten Mal zur Feder griff. Und wie sein berühmter amerikanischer Kollege wäre es falsch Hoffmann auf seine gruseligen Beiträge zur Weltliteratur zu reduzieren. Neben „Die Elixiere des Teufels“ und „Der Sandmann“ hat er auch Kriminalgeschichten verfasst („Das Fräulein von Scuderi“) und sogar Märchen. „Der goldene Topf“ ist ein solches Märchen und zeigt, was für ein versierter und talentierter Autor E.T.A. Hoffmann war. Der 120 Taschenbuchseiten umfassende Text ist voller origineller Ideen und beinhaltet einen feinen, geschliffenen Humor, der vor allem in der 1. Vigilie zum tragen kommt, als der Student Anselmus mit seinem Schicksal hadert, oder als er gemeinsam mit dem Conrektor Paulmann und dem Registrator Heerbrand dem Rausch des Punsches verfällt. Hin und hergerissen zwischen der Liebe zu einer schlangengleichen Frau und der braven Conrektorstochter Veronika, erliegt der arme Student dem Wahnsinn, wenngleich Hoffmann die Interpretation offen lässt, ob tatsächlich zauberhafte Wesen aus einem vergessenen Land in die Welt der Menschen eingedrungen sind, oder ob all seine Erlebnisse auf die Zerrissenheit eines gebeutelten Verstandes zurückzuführen sind. Wie so oft in seinen Erzählungen, so trägt auch Anselmus deutliche autobiografische Züge, und zeugt von großer Unsicherheit, denn auch E.T.A. Hoffmann spürte Zeit seines Lebens eine große Ambivalenz. Zum einen als er sich in seine Gesangsschülerin Julia Marc verliebt, zum anderen aber auch weil er nicht wusste, ob er zum Dichter oder zum Musiker geboren war. Das Märchen liest sich auch heute noch, trotz seiner altertümlichen Sprache sehr spannend und unterhaltsam, zumal es punktgenau pointiert ist und mit einem überraschenden Finale aufwartet. Die Ausgabe des deutschen Taschenbuch-Verlags (dtv) beinhaltet nicht nur den originalgetreuen Nachdruck der Erstausgabe von 1814, sondern auch ein umfangreiches Glossar, einen detaillierten Lebenslauf und ein umfassendes Nachwort. Auf jeden Fall eine lohnende und preiswerte Anschaffung für alle Literaturbegeisterte.