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Gesamtwertung
Durch einen Radiobeitrag des SWR wurde ich auf dieses Sachbuch des Historikers Steffen Leins über das “Prager Münzkonsortium” aufmerksam. Das Thema klingt erstmal relativ exotisch – im Kern ist es aber durchaus aktuell:
Es geht um eine wirtschaftlich schwierige Phase im Europa des 17. Jahrhunderts und darum, wie falsche Maßnahmen eines Staates bzw. seiner Mächtigen eine ganze Gesellschaft in die Krise stürzen können.
Dabei fühlt man sich immer wieder an die aktuelle Wirtschaftskrise und die oft diskutierte Krisenpolitik der heutigen Politiker erinnert.
Worum geht es genau in dem Buch?
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Im Jahr 1622 befindet sich Kaiser Ferdinand II. in einer schwierigen Lage: Für die Söldner, die in vergangenen Kriegen für ihn kämpften, und für drohende Konflikte in der Zukunft benötigt er dringend Geld, doch seine finanzielle Situation ist äußerst angespannt.
Private Bankiers nutzen diese Situation aus: Sie verfügen bereits über Erfahrungen im Bereich der Kriegsfinanzierung und wittern ein gutes Geschäft. Sie schließen mit Ferdinand II. einen Vertrag und pachten gegen eine stattliche Summe sein kaiserliches Münzprägerecht. Ferdinand II. bekommt so viel Geld in die Kasse und kann seinen finanzielle Spielraum beträchtlich erweitern.
Die am “Münzkonsortium” beteiligten Bankiers wiederum können in der Folge wertvolles Silber am Markt aufkaufen und – gestreckt mit Kupfer – zu gültigen Münzen prägen und damit beachtliche Gewinne realisieren.
Dabei halten sich die Bankiers nicht an den vereinbarten Vertrag und erhöhen (zwecks eigenem Profit) die umlaufende Geldmenge immer weiter. Zunächst bleibt das Projekt des Münzkonsortiums noch im geheimen, doch die verhängnisvollen Auswirkungen werden mit der Zeit immer deutlicher: Eine beträchtliche Inflation ist die Folge, die zu Lasten der breiten Bevölkerung geht und diese in Not und Elend stürzt.
Schließlich bleibt Ferdinand II. nichts anderes mehr übrig, als den Staatsbankrott zu erklären.
Die Bankiers und ihre Mitstreiter können zwar zur Blütezeit des Münzkonsortiums beträchtliche private Gewinne realisieren, in den Jahren nach dem Ende des Projektes versuchen sie sich jedoch weiterhin an riskanten Vorhaben. Dabei wird ihnen ihre Risikolust oft zum Verhängnis und sie verlieren teilweise ihr Vermögen oder sogar ihr Leben.
Eine rechtliche Aufarbeitung dieser Affäre wird in den Folgejahren versucht, scheitert jedoch. Wichtige Unterlagen gehen verloren und das Prager Münzkonsortium gerät weitgehend in Vergessen.
In den letzten Jahrhunderten beschäftigten sich einzelne Forschungsprojekte mit der Thematik, streiften das Münzkonsortium und seine Auswirkungen meist aber eher nur am Rande und/oder waren politisch motiviert.
Dieses Buch von Steffen Leins ist nun gewissermaßen das erste, das sich umfassend und detailliert mit diesem Thema beschäftigt.
Meine Bewertung:
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Das Buch ist inhaltlich anspruchsvoll, aber dennoch gut zu verstehen.
Wer sich schon in der Schule für geschichtliche und wirtschaftliche Themen interessiert hat, dürfte mit diesem Buch gut klarkommen. Man muß dabei nicht unbedingt den Geschichte-Leistungskurs o.ä. belegt haben, ein allgemeines geschichtliches Verständnis und ein gewisses Interesse an wirtschaftshistorischen Themen genügen.
Der Stoff böte dabei durchaus auch das Potential für einen historischen Roman. Der Autor bleibt aber bei der Sachbuch-Form, verzichtet auf Dramatisierungen und läßt die historischen Fakten selbst auf den Leser wirken.
Das Buch zeichnet sich durch einen übersichtlichen Aufbau und eine leserfreundliche Strukturierung aus. Nach jedem Kapitel bzw. Unterkapitel fasst Leins die wesentlichen Punkte nochmal kurz in einer “Zwischenbilanz” zusammen. Schließlich bringt er nach dem 3. Kapitel in den Schlußbetrachtungen alles Wesentliche nochmal in einer Zusammenfassung auf den Punkt. Dadurch kann man das Buch auch gut in Etappen lesen und gerät nicht in Gefahr, sich irgendwo in den historischen Zusammenhängen zu verlieren.
Der Autor erläutert dabei selbst, daß die damalige und die heutige Situation gewisse Parallelen aufweisen (schwache, wirtschaftlich angeschlagene Staaten einerseits und erfahrene, mächtige private Akteure andererseits). Er nutzt dies aber nicht aus, um dem Leser eine eigene Interpretation aufzudrücken, sondern ermöglicht diesem, jeweils selbst seine Schlüsse zu ziehen.
Das Buch ist damit also keine Musteranleitung dafür, wie Europa heute schnell und einfach aus der Krise kommen kann. Es eignet sich aber gut um zu erkennen, daß hinter den “Kulissen der Macht” viele Beteiligte ihre eigenen Interessen verfolgen und dabei das Gemeinwohl leicht aus den Augen verlieren können.