Innenansicht einer Sekte
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Insgesamt:
Stellvertretend für all die Davidianer, Erlösungsgruppen, Colonias und andere befasst sich Amy Christen Parker in ihrem Debüt Roman mit einer solchen Gruppe von „Gläubigen“, die, ganz klassisch, von einem „Guru“ oder Messias oder wie immer man das nennen möchte angeführt und, vor allem, kontrolliert werden.
„Pioneer“ nennt er sich selbst. Er, der die einzelnen Mitglieder, Familien seiner nunmehrigen Gemeinschaft zu bestimmten Zeiten, in bestimmten, labilen Lebenssituationen kennengelernt hat. Sich damals hilfreich zur Seite gestellt hat. Sei es beim Verschwinden einer Tochter, sei es in den Folgen von 9/11, sei es in andere Situationen.
Familien, die an der Seele verwundet waren, Menschen, welche die Welt, wie sie sich an bestimmten darstellte, ablehnten und kaum noch erträglich fanden.
In „Mandrodage Meadows“ lebt die Gruppe, in Reichweite einer kleineren Stadt, aber doch ganz für sich. Die „Brüder“ nämlich (Aliens oder „höhere Wesen“, das wird nicht immer ganz klar in Pioneers Prophezeiungen) haben das „Ende der Welt“ vorausgesagt. In langsamer Arbeit habt die Gruppe daher neben der Landwirtschaft, den Nutztieren und den Obstgärten einen Silo angelegt. Tief hinunter in die Erde, eine Art Arche zum Überleben, bis die Schrecken des Weltunterganges vorbei sind.
Und ja, „die anderen“ werden kommen, wenn sie erst einmal richtig in Angst sind, wenn sie begreifen, dass Erdbeben und Sturmfluten um sich greifen. Und die Gemeinschaft muss gewappnet sein. Waffen beherrschen und ohne Skrupel auch anwenden, wenn es soweit ist.
Schritt für Schritt lässt Parker den Leser in ihrer Hauptfigur Lyla diese innere Struktur erkennen, lässt das junge Mädchen (auch in Rückblicken) die Gesetzmäßigkeiten einer solchen „Personenverehrung“ und der raffinierten Manipulationstechniken vor Augen führen.
Wenn es nur einen Fernseher gibt (den Pioneer natürlich unter Kontrolle hat), wenn Nachrichten „aus der Welt“ verpönt sind und nur in bearbeiteten Auszügen gezeigt werden, wenn einer täglich alles und jeden kontrolliert und ein „Glaube“, so diffus er auch sein mag, von allen getragen wird, dann wird es schwer, sich „der Welt“ auch nur für einen kleinen Spalt hin zu öffnen.
Doch eines Tages kommt der Sherriff. Einfach mal kurz zu Besuch. Mit seinem Sohn. Und Lyla mit ihren 16 Jahren spürt, diesen Cody will sie wiedersehen. Auch wenn Pioneer sie mit Will bereits „versprochen“ hat.
Und so kommt es, wie es kommen muss. Zufällige Ereignisse führen zu einem Wiedersehen, innere Anfragen tauchen auf, ob das mit der „Erlösung“, der „bösen Welt“ und deren Untergang wirklich so ist.
Ruhig und detailliert beginnt hier die eigentliche Aussage des Buches. Das Aufzeigen von inneren Befindlichkeiten, die mit aller Kraft Glauben wollen. Die alle Indizien für Lügen oder für eine Verwirrung Pioneers zur Seite schieben, um nicht das einzige zu verlieren, was anscheinend Halt gibt. Oder, wie sich später zeigen wird, um einfach nicht mehr die Kraft aufbringen zu müssen (oder auch gar nicht mehr zu können), sich „dem Leben in der Welt“ aussetzen zu wollen.
Mit fast tödlichen Folgen, wie das mit Spannung gewürzte Finale des Buches zeigen wird.
Allerdings , trotz der fließenden Sprache Parkers, mit einigen Längen und Phasen im Buch, in denen zu wenig passiert und die Aufmerksamkeit bei erwachsenen Lesern ein stückweit verloren geht.
Im Gesamten aber eine ernstzunehmende Mahnung gerade und vor allem an jugendliche Leser, Heilsversprechen, Personenkult, subjektive Glaubenssysteme kritisch zu betrachten und sich nicht allzu schnell einfangen zu lassen vom Charisma anderer. Nicht wenige verführen um der Verführung und um ihrer selbst willen.
Und eine gelungene Darstellung aus dem Inneren einer Sekte, die trotz merkwürdiger „Glaubensdogmen“ eher die Welt beschießt als diese in Frage stellen würde.